GESUNDHEIT & PFLEGE
DAS BRACHYCEPHALENSYNDROM
(Claudia Pfersich-Schöneshöfer)
Hierunter versteht man anatomische Veränderungen bei Hunden mit kurzen Schnauzen (brachyzephalen Rassen), die zum Teil den Luftstrom auf seinem Weg in die Lunge schwer behindern und sich in grunzenden, schnarchenden und röchelnden Atemgeräuschen im Ruhezustand sowie lauten Atemgeräuschen bei Belastung und warmen Wetter äußern. Eine starke Bauchatmung wird sichtbar. Langfristig führen derartige Funktionsstörungen im Atemtrakt zu chronischen Lungen- und Herzerkrankungen (Vergrößerung des Herzens).
Es können sich folgende Engstellungen des Atmungsapparates bei Hunden finden:
• Zu enge Nasenlöcher und Nasengänge
• Verlagerung der Conchen (Nasengänge) in den Rachen
• Zu langes oder zu dickes Gaumensegel
• Zu kurzer, zu enger Rachenraum
• Vorgefallenen Stimmtaschen und/oder verdickte Schleimhaut, die die Stimmritze einengen
• Kehlkopfkollaps
• Hypoplasie der Luftröhre (unterentwickelte „zu kleine“ Luftröhre)
Bei der Behandlung ist es wichtig, den Umfang der Atemwegverlegung festzustellen. In Untersuchungen wird der Atemtrakt auf die vorhandene Durchlässigkeit für die Atemluft kontrolliert. Dieses erfolgt meist mittels Endoskopie des oberen Atemtraktes, Röntgen der Lunge und gegebenen Falls einer Computertomographie zur Darstellung des Zustandes der oberen Atemwege. Sind diese Untersuchungen, individuell auf den jeweiligen Hund abgestimmt, abgeschlossen, kann ein gezielter chirurgischer Eingriff mit Korrektur der Engstellungen durchgeführt werden.
Bereits kleinere Eingriffe wie eine Erweiterung der Nasenlöcher und das Kürzen eines zu langen Gaumensegels können die Atemprobleme lindern, manchmal sogar beheben.
Das Gaumensegel der Bulldogs (vergleichbar mit dem „Zäpfchen“ des Menschen) ist oft 3 mal länger als ein „normales“ Gaumensegel. Durch die kleinen Nasenlöcher ist meist keine Nasenatmung möglich, so dass unsere Bulldogs auf die Maulatmung beschränkt sind.
Die Maulatmung hat zur Folge, dass die Luft nicht gereinigt wird, was sich in Infektionen der Atmungsorgane äußern kann. Durch die eingeschränkte Atmung muss das Herz vermehrt arbeiten, um den Körper trotz eingeschränkter Atmung mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen, was zunächst zu einer erhöhten Körpertemperatur (Hyperthermie) führt und Herz- Kreislaufprobleme nach sich ziehen kann. Zusätzlich neigen die Hunde zu häufigem Erbrechen von Schleim und Futter. Eine starke Hyperthermie kann lebensbedrohlich sein! Es muss sofort gehandelt werden. Der Bulldog muss eine schnelle Abkühlung bekommen. Mit einer Gießkanne wird der Bulldog kurz mit lauwarmen Wasser, niemals mit kaltem Wasser, das kann zu einem Kreislaufschock führen, begossen. Die Zunge kann man, ohne den Fang weit zu öffnen, vorsichtig herausziehen, damit der Körper zusätzliche Kühlung bekommt. Eisbeutel und nasse Handtücher können an Kopf und Unterbauch gelegt werden. In jedem Fall ist ein Tierarzt aufzusuchen.
Erst durch die (operative) Behandlung der Engstellungen des Atmungsapparates und somit einer Verbesserung der Atmung ist auch das Risiko einer Herzerkrankung als Spätfolge zu reduzieren.
Ein vergrößertes Herz hat zur Folge, dass das Herz eine geringere Leistung bringt und dass, obwohl es mehr arbeiten müsste, um den Sauerstoffmangel im Blut, verursacht durch die Engstellungen im Atmungsapparat, auszugleichen. Die Folge ist ein schnelleres Ermüden des Hundes, die Zunge kann blau anlaufen und im Extremfall wird der Hund vor Erschöpfung umkippen – der plötzliche Herztod kann jederzeit und unerwartet eintreten. Eine Behandlung mit Medikamenten behandelt die Symptome, nicht jedoch die Ursache. Erst eine Operation mit der Beseitigung der Engstellungen kann das Herz auf Dauer erfolgreich entlasten.
In jedem Fall muss individuell abgestimmt werden, wo eine Atemverlegung nötig ist.
Die Nasenlochvergrößerung, bei welcher der Nasenknorpel auf einer Länge von 2 cm verändert wird, bewirkt, dass wieder durch die Nase eingeatmet werden kann und die Schleimhaut gekühlt wird, die Ausatmung kann über das Maul erfolgen. Im Inneren der Nase wird meist mit einem Laser operiert, dabei gibt es verschiedene Arten von Lasern. Modern und weniger risikoreich als der herkömmliche Laser, dessen Lichtweg basierend auf Glas- und Spiegeltechniken zum Organ findet, ist der Diodenlaser, der direkt das betroffene Gewebe erreicht.
Die Kürzung und Verlagerung des Gaumensegels, welches, wie gesagt, bei einem Bulldog die dreifache Länge im Gegensatz zum Gaumensegel einer anderen Rasse aufweisen kann, ist bei einem erfahrenen Tierarzt wenig risikoreich. Ziel ist es, eine Länge zu erhalten, die beim Schlucken die Abdeckung des Kehldeckels sichert, so dass die Luftröhre verschlossen wird und das Futter in die Speiseröhre geleitet wird.
Ein zu langes Gaumensegel kann dazu führen, dass der Kehldeckel sich regelmäßig darunter verfängt. Der Betroffene Hund erleidet „Schniefanfälle“ beim Versuch, ihn wieder zu befreien.
Ganz bestimmt hat der ein oder andere von Euch schon einen „Schniefanfall“ bei seinem Bulldog miterlebt und sich Sogen gemacht.
Hilfe bei einem „Schniefanfall“
Möglichkeit A
Haltet dem Bulldog kurz (etwa 2 Sekunden) die Nasenlöcher zu. Danach sollte der Anfall vorüber sein.
Möglichkeit B
Drückt den sogenannten „Notfallpunkt“ auf dem Nasenspiegel von Eurem Bulldog, der Anfall wird schnell vorüber gehen.
(Notfallpunkt auf dem Nasenspiegel eines Bulldog)
Diesen Punkt kann man gut mit einem Finger drücken, er kommt aus der Traditionellen hinesischen Medizin (TCM) und der japanischen Medizin, dort ist er ein bekannter Akupressurpunkt. Der befreite Kehldeckel liegt vor dem Gaumensegel, so dass eine normale Atmung möglich ist.
Das Risiko liegt in der Gefahr, das Gaumensegel zu weit zu kürzen – das wäre nicht mehr regulierbar!
Auch hier bieten sich einige operative Methoden zur Kürzung des Gaumensegels:
• Skalpell (Risiko: Blutung)
• Elektrochirurgie
• Laser (moderne Methode)
Die Entfernung der Mandeln kann bei einer chronischen Reizung nötig werden, da diese dann oftmals eine Vergrößerung von 1/3 bis 1/2 der normalen Größe aufweisen. Da die Mandeln als Abwehrorgan des Organismus bekannt sind, macht man sich hier oft Gedanken. Beim Hund jedoch spielen sie eine nicht so wichtige Rolle und können entfernt werden.
Hier bieten sich folgende Methoden an:
• Skalpell und Naht
• Elektrochirurgie
• Laser (die Lichtquelle fördert die Heilung)
Auch Kehlkopf und Kehldeckel sind mit einer Schleimhaut überzogen, welche chronisch entzündet, gereizt oder ausgeleiert sein kann. Ähnlich der Operation an der Netzhaut des menschlichen Auges, kann man diese Schleimhaut mit einer Diode am Kehldeckel „antackern“. Die Stimmlippen sind im Gegensatz zu den Stimmtaschen nicht verändert. Die Stimmtaschen jedoch können so weit vergrößert sein, dass sie den 1/2 Kehlkopf verschließen. Die Folge kann ein Kehlkopfspasmus / Kehlkopfkrampf mit der Folge des Erstickens sein. Die Taschen können mittels Laser eingedampft werden.
Die Luftröhre kann ebenfalls eine veränderte Schleimhaut aufweisen, was sich jedoch gut behandeln lässt. Der Durchmesser der Luftröhre ist bei einem Bulldog kleiner als bei anderen Rassen. Ein Durchmesser von 1cm wäre schon ein guter Wert.
Zum Vergleich: Bei einem Hund der Größe eines Bulldogs würde man eigentlich mit einem Tubus 8-9 intubieren, der Bulldog wird jedoch mit einem Tubus der Größe 5-6 intubiert.
Im Brustkorb teilt sich die Luftröhre in einen rechten und linken Ast (Hauptbronchus). Beide verzweigen sich in den Lungenflügeln immer weiter in unzählige kleine Äste (Bronchien und Bronchiolen). Die Bronchien dienen nicht nur als Luftverteiler, sondern fangen auch Fremdkörper und Krankheitserreger ab. Dafür besitzen sie eine spezielle Schleimhaut, die einen zähflüssigen Schleim produziert. Eingeatmete Partikel und Staub bleiben daran kleben. Außerdem befinden sich in der Schleimhaut Milliarden kleinster Flimmerhärchen. Sie bewegen sich wie Getreideähren im Wind und befördern den Schleim und Dreck wieder aus der Lunge. Der Schleim wird reflexartig ausgehustet oder unwillkürlich verschluckt.
Hier besteht die Gefahr von bakteriellen Infekten. Eine Tupferprobe gibt Aufschluss und es
kann ein Antibiogramm erstellt werden. Häufig werden hier Pseudomonaden gefunden.
Weitere Informationen zu diesem Thema findet Ihr HIER:
Kliniken und Tierärzte:
1.) Prof. Dr. Gerhard Oechtering (Leipzig), Klinik für Kleintiere, Universität Leipzig: http://www.kleintierklinik.uni-leipzig.de/
2.) Dr. Claudia Nöller (Leipzig), Klinik für Kleintiere, Universität Leipzig: http://www.kleintierklinik.uni-leipzig.de/ Hier die Seite zum Thema: http://www.kleintierklinik.uni-leipzig.de/BZS/
4.) Tiergesundheitszentrum Söhl (Lichtenau bei Paderborn): http://www.tgz-lichtenau.de/
Ein weiterer sehr informativer Bericht (als PDF):
Strukturelle Besonderheiten der Nase brachyzephaler Hunderassen in der Computertomographie
T. H. Oechtering, G. U. Oechtering, C. Nöller
Aus der Klinik für Keintiere (Direktor: Prof. Dr. G. U. Oechtering) der Universität Leipzig
als PDF
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Strukturelle Besonderheiten der Nase brachyzephaler Hunderassen in der Computertomographie
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